Deutscher Gewerkschaftsbund
PM
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14.09.2009
"Enteignung des eigenen Lebens"
"Enteignung des eigenen Lebens"
Pflege in der Kritik
Die Grundpflege für 30 Heimbewohner mit einer Pflege- und einer Hilfskraft schaffen, Ruhigstellung von aufmüpfigen Senioren, falsche Angaben in der Dokumentation und beim Personaleinsatz, zu wenig und erschöpftes Personal, das nach 8-9 Stunden Arbeit mit dem Gefühl nach Hause geht, seinen Job nicht ordentlich gemacht zu haben - Alltag in deutschen Pflegeheimen? So erzählt es jedenfalls der Journalist Markus Breitscheidel, der sich "undercover" als Pflegehelfer verdingte und auf genau solche und vergleichbare Missstände stieß. Er hat ein Buch darüber geschrieben, das zum Bestseller wurde. Zu wenig Personal bedeute immer nur Minimalpflege, also "satt-sauber-trocken", alte Menschen werden industriell abgefertigt, kritisiert Breitscheidel. Die Beschäftigten leiden unter diesen Bedingungen, werden krank und depressiv. Mit 3600 Berufsunfähigkeiten ist der Pflegebereich absoluter Spitzenreiter.
Kein Wunder, dass die Gewerkschaften ob dieser Arbeitsbedingungen Alarm schlagen. Die DGB-Frauen und ver.di Westküste hatten Breitscheidel nach Husum eingeladen, 120 Teilnehmer waren gekommen, darunter viele Beschäftigte aus der Pflege, aber auch Vertreter aus Politik, Heimleitungen und Kassen. Und auch eine Betroffene meldete sich zu Wort, sie habe ähnliche Erfahrungen in hiesigen Heimen gemacht: im ersten habe sie ihren Pflegerollstuhl nicht benutzen dürfen und war dadurch in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, im zweiten gab es "Gammelfleisch", wie sie sagt, und Reste aus dem Partyservice und im dritten nahm man auf ihre Allergie keine Rücksicht. "Jetzt pflegen mich Angehörige und mir geht es gut". Ein ehrenamtlicher Betreuer spricht von der Enteignung des eigenen Lebens, wenn Pflegeeinrichtungen unter Wettbewerbs- und Renditedruck geraten. "Wir brauchen mehr bürgerliches Engagement in der Pflege", forderte er.
Die Gewerkschaft ver.di will mit der Kampagne "Altenpflege in Bewegung" die Arbeitsbedingungen im Interesse des Personals und der Pflegebedürftigen verbessern. "Wir bleiben dran am Thema", sagen Ursula Rummel, bei ver.di zuständig für den Bereich Gesundheit und Andrea Tudsen von den DGB-Frauen und verweisen auf unsere Nachbarn in Dänemark: da bekommt eine Fachkraft für Pflege 2500 Euro für 37 Wochenstunden, arbeitet im Team, bekommt Supervision und Weiterbildung und ist mit acht Pflegekräften für 24 Heimbewohner zuständig.
Im Gespräch mit den Teilnehmer/innen:
Ursula Rummel (ver.di) und Markus Breitscheidel
Blick in den gut gefüllten Veranstaltungssaal.
Alle Fotos: DGB-Archiv.
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