Deutscher Gewerkschaftsbund

PM - 08.02.2017

Digitalisierung: Chancen und Risiken für Frauen

Die Prognosen sind noch ungenau, aber die Digitalisierung wird Produktionsweisen und Wertschöpfungsketten verändern und auch die Geschlechterfrage neu stellen. Bringt mobiles Arbeiten neue Chancen für Frauen, wie verändert sich das Berufswahlverhalten und welche Bedeutung bekommt die Weiterbildung? Antworten suchte die Arbeitsgemeinschaft Frauen mit Fachleuten im ISIT in Itzehoe.

Die einen sehen einen rasanten Abbau von Beschäftigung durch Automatisierung, während andere durchaus Chancen für Arbeitsplätze in neuen Geschäftsfeldern sehen. „Es wird eine starke Expansion bei den personenbezogenen Dienstleistungen geben – und das ist eine Domäne der Frauen“, erkärte Christina Schildmann, die das wissenschaftliche Büro der Kommission „Arbeit der Zukunft“ bei der Hans-Böckler-Stiftung leitet. Damit verbunden könne auch eine Neubewertung von weiblich konnotierten Fähigkeiten sein, die zu einer besseren Bezahlung führen. Gleichzeitig werden durch Automatisierung „Lieblings-Frauenberufe“ in Büro, Vertrieb, Verwaltung und Warenhandel verloren gehen. Auch Fertigungsberufe in der Produktion, in be- und verarbeitenden und instand setzenden Tätigkeiten sind bedroht.

Frauen wären also gut beraten, sich den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik den sogenannten MINT-Berufen zuzuwenden. „Da gibt es heute schon Engpässe und Fachkräftemangel“, so Schildmann. Das bestätigte auch Peter Brodersen, der sich mit der Firma Steinbeis in Glückstadt dafür engagiert, mehr Frauen in MINT-Berufen auszubilden. „Bei den Papiertechnologen ist uns das gelungen“, so Brodersen. Es sei immer gut Frauen und Männer gleichermaßen im Unternehmen zu beschäftigen. „Das verändert die Unternehmenskultur positiv und macht fit für die Herausforderungen“, sagt er.

Technik macht es schon lange möglich, zu Hause zu arbeiten und 40 Prozent der Angestellten würden das auch gerne tun. Dem steht die in Deutschland noch sehr ausgeprägte Präsenzkultur im Wege. Ein gutes Beispiel für Home Office stellten Stefan Vergo und Britta Sievers von den Stadtwerken in Heide vor. Dort wird seit 15 Jahren in Home Office gearbeitet. „Wichtig ist, dass über die Bedingungen geredet wird, wir haben dazu eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat getroffen“, sagt Stefan Vergo. Das betriebliche Umfeld dürfe nicht verlorengehen, für einen Arbeitstag in der Woche sei deshalb die Rückkehr in den Betrieb verabredet.

In der Debatte um Digitalisierung spielt die Qualifizierung und das lebenslange Lernen eine wichtige Rolle: die Halbwertzeit von Wissen verringert sich erheblich. Christina Schildmann führte aus, dass Frauen bisher in der betrieblichen Weiterbildung unterrepräsentiert seien. „Frauen nehmen Bildungsangebote häufiger in ihrer Freizeit wahr, und vor allem Teilzeitbeschäftigte und Frauen mit Kindern profitieren von Weiterbildung seltener als Männer“, so Schildmann. Die Arbeitsagentur in Heide gibt sich Mühe, diesen „Gendergap“ in der Weiterbildung für ihre KundInnen zu vermeiden. „Wir müssen sicherstellen, dass die Fähigkeit, sich neuen oder anderen beruflichen Qualifikationen anzupassen erhalten bleibt oder gestärkt wird“, sagt Andreas Böckmann als Beauftragter für Chancengleichheit.

Jasmin Schacht vom DGB Schleswig-Holstein Nordwest mahnte einen angstfreien und offenen Umgang mit dem Thema Digitalisierung an. Sie ist selbst als Konstrukteurin tätig und sieht durch neue Erwerbsformen und Arbeitsprozesse einen Wandel in der Berufswelt, der Frauen zugutekommen kann. „Wenn mehr mobiles Arbeiten möglich ist, ist auch Familie und Beruf besser zu vereinbaren“, sagt Jasmin Schacht. Für sie ist wichtig, dass Beschäftigte mit den Betriebs- und Personalräten die digitale Zukunft gestalten. Denn die Risiken dürfen nicht verschwiegen werden: „Digitale Technik kann auch berufliche Qualifikation entwerten“, befürchtet Jasmin Schacht. So arbeite Siemens beispielsweise mit virtuellen Ansagen der Arbeitsschritte und will in der Folge die Facharbeiterlöhne reduzieren.

Bei den fundamentalen Auswirkungen des digitalen Strukturwandels sei eines gut, betonte Gabriele Tahal, Leiterin der Abteilung Arbeit im Wirtschaftsministerium: Es ist ein übergreifender Dialogprozess in Gang gekommen, in den sich Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Politik einbringen. „Das schleswig-holsteinische Wirtschaftsministerium sieht sich hier in der Pflicht, denn wir können die digitalen Herausforderungen nur gemeinsam gestalten“, sagt Gabriele Tahal.


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