Deutscher Gewerkschaftsbund

23.10.2014

Werkverträge - was tun!

 

Das Unglück erschütterte: Zwei Werkvertragsarbeitnehmer der Meyer-Werft verloren bei einem Brand in ihrer völlig überfüllten Unterkunft ihr Leben. Seither liegt die seit langem dringend nötige Aufmerksamkeit auf der Arbeits- und Lebenssituation einer wachsenden Zahl von ArbeitnehmerInnen – denjenigen, die unkontrolliert auf Basis von Werkverträgen schuften, Fleisch und Fisch zerteilen, Maschinen bedienen, Produkte ver- oder auspacken usw.

Werkverträge lassen sich fairer gestalten! Der DGB hat dafür eine Reihe konkreter Vorschläge entwickelt:

Bei einem Werkvertrag müssen WerknehmerInnen die volle Eigenständigkeit über die Herstellung des Werkes behalten. Eine direkte Einbindung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers spricht gegen das Bestehen eines Werkvertrages. Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien reichen nicht aus, um den Missbrauch zu verhindern. Wir brauchen klare gesetzliche Kriterien, die den Missbrauch von Werkverträgen ausschließen und es Arbeitnehmern erleichtern, den Missbrauch zu beweisen. Es muss genügen, dass Arbeitnehmer Indizien vorbringen, die auf den Missbrauch hindeuten.

  • Rechtsfolgen eines Missbrauchs festlegen: Wenn festgestellt wird, dass ein missbräuchlichen Werkvertrag vorliegt, hat dies zur Folge, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Solo-Selbstständigen beziehungsweise den Beschäftigten des Werknehmers entsteht.
  • Mitbestimmung stärken: Die betriebliche Interessenvertretung muss das Recht erhalten, den Einsatz von Fremdfirmen zu verweigern, wenn die Interessen der eigenen Belegschaft unmittelbar berührt sind. Die Informationsrechte müssen gestärkt werden. Die Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitervertretungen müssen wissen, welche Personen sich überhaupt auf dem Gelände befinden und welche Tätigkeiten sie konkret ausüben.
  • Kontrollen und Klagerecht ausweiten: Derzeit müssen die Beschäftigten ihre Rechte selbst durchsetzen. Dies ist oft mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden. Deswegen müssen die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ein Verbandsklagerecht erhalten, um diese Rechte stellvertretend durchzusetzen. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit und die Sozialversicherungsträger benötigen wirkungsvolle Kontrollmöglichkeiten, so dass missbräuchliche Konstruktionen rechtssicher unterbunden werden können.
  • Scheinselbstständigkeit konsequenter verfolgen und unterbinden: Immer mehr Selbstständige sind faktisch scheinselbstständig, weil sie nur für einen Auftraggeber arbeiten. Durch die Beschäftigung von Scheinselbstständigen werden betriebliche und sozialrechtliche Risiken auf diese verlagert und Schutzbestimmungen für die ArbeitnehmerInnen unterlaufen. Der DGB schlägt deshalb vor, die Kriterien für die Abgrenzung von Selbstständigen und Scheinselbstständigen zu präzisieren und zu ergänzen.
  • Kettenverträge eingrenzen: Der DGB schlägt vor, die Subunternehmerketten zu begrenzen und zu verlangen, dass die Subunternehmen wenigstens einen Teil des Auftrages selbst ausführen müssen.
  • Ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser schützen: Der grenzüberschreitende Arbeitskräfteeinsatz ist besonders missbrauchsanfällig und schwer zu überwachen. Hierzu muss die Europäische Union ihr Regelwerk für grenzüberschreitenden Arbeitseinsatz verbessern, Kontrollen erleichtern und fälschungssichere Bescheinigungen einführen.

Hier findet ihr alle Vorschläge in ausführlicherer Form: 

 

Unter unzumutbaren Arbeits- und Lebensbedingungen - lange Schichten, teilweise ohne Lohn - auch nicht bei Krankheit -, untergebracht in überfüllten Wohnungen - so mussten auch griechische Kollegen in Flensburg arbeiten, wie im März 2015 bekannt wurde. Bevor sie bei der Flensburger Werft eingesetzt waren, arbeiteten sie unter ähnlich verheerenden Bedingungen auf Werften in Rostock, Stralsund, Hamburg, Papenburg...

Für zwei der Kollegen nahm die ihre Geschichte mit unser aller Unterstützung eine Wendung zum Guten: Seit dem 1. Juni haben sie einen unbefristeten Arbeitsvertrag bei einem örtlichen Elektrounternehmen, seit dem 15. Juni eine eigene Wohnung mit Möbeln, die von vielen Kolleginnen und Kollegen aus unserer Region gespendet wurden.

Und: Die Flensburger Werft hat einen Haustarifvertrag geschlossen, der verhindern soll, dass nochmals Menschen unter derart desaströsen Bedingungen arbeiten. Hier findet ihr die Pressemitteilung der IG Metall Küste und unten den Wortlaut des Haustarifvertrages.  

 

Im August 2014 waren auch in Groß Stieten und Lubmin griechische Kollegen gestrandet, um die sich DGB Nord, IG Metall und IG BCE in einer Erste-Hilfe-Aktion kümmerten. Sieben-Tage-Woche, Maloche von 10 bis 14 Stunden täglich, am Ende sogar ohne Lohn, Schimmel an der Decke, Wasser am Boden, eine Dusche im Keller für 23 Menschen – in dieser Arbeitswelt tun sich Abgründe auf. Eine Dokumentation findet ihr hier:

 

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften nehmen die Situation der WerkvertagsarbeitnehmerInnen aber schon seit einiger Zeit in den Blick: 

IG Metall
Kampagne "Fokus Werkverträge"
"Mit „Arbeit: sicher und fair - FÜR ALLE“ machen wir uns stark für die Rechte der Werkvertragsbeschäftigten. Als IG Metall sind wir für die Rechte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Betriebsgelände verantwortlich – egal, in welchem Beschäftigungsverhältnis sie stehen. Das ist unser politisches Selbstverständnis." (Statement von Detlef Wetzel) ++ Link: http://www.fokus-werkvertraege.de/

NGG
Info-Seite "Werkvertragsmissbrauch"
Link: http://www.ngg.net/themen_von_a_bis_z/werkvertrags-missbrauch/

ver.di
Kampagne "Hundertprozentich"
Materialiensammlung: http://www.hundertprozentich.de/materialien

"Auch wenn Werkverträge grundsätzlich kein neues Phänomen und Element einer arbeitsteiligen Gesellschaft sind, ist ihre gegenwärtige Ausbreitung nicht nur Ausdruck einer stetigen Zunahme von Spezialisierungen und Ausdifferenzierungen von produktbegleitenden Dienstleistungen. Vielmehr ist die Zunahme von Werkverträgen das sichtbare Zeichen einer weitergehenden Flexibilisierung der Erwerbsarbeit und einer Abwälzung von marktwirtschaftlichen Risiken seitens der Unternehmen auf die Beschäftigten." heißt es in einer jüngst veröffentlichten Studie des DGB Bayern. 

Und auch der Sozialminister Nordrhein-Westfalens, Guntram Schneider, hat eine Studie in Auftrag gegeben, die die Notwendigkeit der Umkehr konkret macht. Ihr findet die Studie hier: 

 

Welche Formen und welches Ausmaß Werkverträge angenommen haben, aber auch was zu tun ist, findet ihr auch in der Studie aus Bayern und in einem Positionspapier der DGB: 

 

Im Juli 2013 hat darüber hinaus die IG BCE zum Thema Werk- und Dienstverträge einen Ratgeber für die Praxis herausgegeben: 

 

"Werkverträge erobern die Republik", lautet das Resümee der Gewerkschaft NGG in ihrer Broschüre "Wenig Rechte. Wenig Lohn. Wie Unternehmen Werkverträge (aus)nutzen". Auch in der Hotelbranche und der Ernährungsindustrie setzen immer mehr Unternehmen auf Werkverträge. Das Prinzip: Mit einem Subunternehmen wird ein Werkvertrag über ein fest definiertes "Werk" geschlossen. Das kann die Produktion einer bestimmten Menge Würstchen sein, das Reinigen einer bestimmten Zahl von Hotelzimmern oder das Beladen einer bestimmten Menge von Flaschen-Paletten.

Das auftragnehmende Unternehmen erledigt diesen Werkvertrag mit eigenen Arbeitskräften, häufig in den Betriebs- und Produktionsstätten des Auftraggebers selbst. Oft ist das nichts anderes als verdeckte Leiharbeit. Trotzdem gelten für Beschäftigte von Werkvertrags-Unternehmen weder der Leiharbeitsmindestlohn, noch die Leiharbeitstarife.

Manche Betriebe schließen sogar Werkverträge mit einzelnen ArbeitnehmerInnen. Offiziell gelten sie dann als Selbstständige und müssen sich selbst kranken- und rentenversichern. In der Realität sind sie oft scheinselbstständig: Schlecht bezahlt und ohne soziale Absicherung.

Die NGG hat in der Broschüre Beispiele für den Missbrauch von Werkverträgen in der Hotel- und Ernährungsbranche aufgeführt. Für Betriebsräte will die NGG mit der Publikation außerdem Möglichkeiten aufzeigen, wie sie gegen den Werkvertrags-Missbrauch vorgehen können.


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